Podiumsdiskussion bei der Vorstellung des „MonoCab“-Projektes in Dörentrup im Mai 2022
Erfindergeist ist eine schöne Sache. Über die Jahrtausende hat er den Menschen viele Annehmlichkeiten beschert, vom Faustkeil über das Rad, den Flaschenzug, das Fahrrad, der Waschmaschine und der Eisenbahn bis zum Internet usw. usw. Die Not der Plackerei macht erfinderisch. Wer säckeweise Kartoffeln schälen muss träumt vielleicht irgendwann von einer Kartoffelschälmaschine. Herr Drais, der nicht mehr so viel laufen wollte, erfand das Fahrrad.
Eine andere Art von Erfindergeist, ist jener, der von der Erledigung wichtiger Arbeiten und Projekte ablenken soll, nicht weil diese ineffizient, unpopulär oder uneffektiv sind, sondern weil man sie aus verschiedenen Gründen nicht haben will, oder sie manchen Entscheidern einfach nicht „sexy“ genug erscheinen. Diese Art von Erfindergeist erfuhr im 21. Jahrhundert einen rasanten Aufschwung und natürlich will auch der Kreis Lippe Teil dieser glorreichen Entwicklung sein. Und so erfand, und erfindet muss man sagen) der „Innovationsmanger“ (und Innenarchitekt, Denkmalpflerger und Sanierungsmanager) Thorsten Försterling mit dem „MonoCab“ einfach die Eisenbahn neu – also zumindest auf dem Papier… Das Ganze in Zusammenarbeit mit den großen Ingenieuren der weltberühmten Hochschule TH OWL – dem MIT des Kreises Lippe.
Und nun wird kräftig geforscht und gebastelt, damit diese Neuerfindung der Eisenbahn eines Tages zwischen München und Hamburg Lemgo und Barntrup die Revolution im öffentlichen Verkehr einleitet. Das verspricht etwas Glamour in Dörentrup und Erleichterung bei den Stadträten der umliegenden Kommunen. Denn die fürchten vor allem eines: die Reaktivierung der Begatalbahn, als ganz normale Eisenbahn, nach Barntrup – unspektakulär, effizient und preiswert.
Denn neben den bisher veranschlagten Kosten der Bahn-Reaktivierung für die Kommunen haben diese Angst um ihre Buslinien, die das minimal notwendigste/erträgliche an ÖPNV für ihre Bürger abwickeln. Und so reichen sich provinzieller, technologischer Größenwahn und kommunale Kleinkariertheit an der Bega opportun die Hand: nichts könnte die Reaktivierung dieser Bahnstrecke eleganter verhindern, als das „Monocab“ von Lemgo nach Barntrup. Verhüllt vom Nebel der Innovation und vom Ernst der Forschung passiert – nichts… Und nur sehr vielleicht fährt irgendwann einmal eine „Bahn nach Nirgendwo“ zur Erheiterung von Touristen entlang der Bega.
Denn Projekte dieser Art sind in der Welt schon an ganz anderen Stellen und mit viel größeren Investitionssummen gescheitert: Konzepte wie die Magnetschwebebahn in Form des ehemaligen und gescheiterten „Transrapid“, und der MAGLEV in China, haben es auch nach einem halben Jahrhundert nicht aus dem reinen Subventionsbetrieb herausgeschafft. Japan ist ebenfalls dabei gigantische Summen darein zu versenken. Von läppischen „Monorails“ u.Ä., wie z.B. der in Sydney, nicht zu reden. Auch dort dachten die Bürger, dass der öffentliche Verkehr eines neuen Zeitalters heranbricht. Was sie bekamen war ein Touristen-Spaßbähnchen auf einem ca. 2km² großen Gelände, für Menschen die genug hatten vom Sightseeing zu Fuß.
Die Neuerfindung der Bahn hat sich (bisher) als ebenso unfruchtbar erwiesen, wie die Sparpolitik der „Bahnreform“ seit den 90er Jahren und dem Börsengang der DB. In Lippe begann die Verkrüppelung der Bahn bereits in den 60er Jahren. Erst mit ihrer Stilllegung zwischen Lemgo, Barntrup und Hameln und in der Folge mit dem Abbau des Bahnhofs Himmighausen und der Entfernung von Weichen und Ausweichgleisen in Ehlenbruch, Nienhagen und anderen Bahnhöfen. Seitdem wurschteln Kreis und Kommunen an ihrem Busverkehr herum, den manche nun glauben gegen die „böse Konkurrenz“ Eisenbahn verteidigen zu müssen. Dabei ist die außerordentlich beliebte Bahn das Rückgrat des ÖPNV in Deutschland und auch in Lippe, wo sie nur aufgrund der bereits benannten Misshandlungen immer wieder in die Kritik gerät.
Doch Kommunen mit gutem Bahnanschluss und PRAKTISCHEN Bahnen leben auf und werden attraktiv für Häuslebauer oder einfach nur Menschen, die nah an der Natur leben möchten. Endlich könnte man die Kinder nachmittags auch mal ohne Elterntaxi von Dörentrup nach Bielefeld in’s Multiplex-Kino fahren lassen. Stattdessen werden halbgare Behelfskonzepte mit „Schnell“-Busrouten erdacht, um der verstümmelten Bahn von Bielefeld nach Lemgo zu Hilfe zu kommen. Gleichzeitig schaffen es KVG und Co. nicht einmal in Schieder einen zuverlässigen Busanschluss für die S-Bahn aus Hannover/Hameln nach Detmold und Lemgo einzurichten. Wer es wagt sich auf diesen Anschluss zu verlassen, der steht schnell mal für zwei Stunden bei Nacht und Nebel im ungemütlichen Nichts des ehemals ältesten Bahnhofs in Lippe, den man seinerzeit meinte unbedingt abreißen zu müssen – ganz im Sinne der „Innovation“ vermutlich…
Dass das alles so kommen musste ist zwar nicht zuerst die Schuld des Kreises Lippe, aber mittlerweile fragt man sich wie groß denn das Interesse und der Druck aus Lippe auf die Landesregierung eigentlich ist? Vor allem wenn man sich mit einem Projekt wie „Monocab“ in Stellung bringt, die Bahn in Lippe endgültig und für viele Jahrzehnte mit Firlefanz zu blockieren, zumindest zwischen Lemgo und Barntrup. Aber nicht einmal zwischen Barntrup und Rinteln, auf den Gleisen der Extertalbahn, wäre das Monocab eine wirklich effiziente und zukunftsträchtige Lösung, im Sinne der „Verkehrswende“. In den 1920er Jahren als quasi Überland-Straßenbahn gebaut, wäre dies wahrscheinlich auch heute die beste Lösung. Denn die Mobilitätsansprüche haben sich in den letzten 100 Jahren wohl mehr als verzehnfacht, und eine Bahn von Rinteln, über die Weserbrücke und durch die Fußgängerzone zum Bahnhof Barntrup, mit Anschluss nach Lemgo, ist längst überfällig, um die viel beschworene Anbindung der „ländlichen Bevölkerung“ an die Bahn zu gewährleisten.
Ob die Bürger in Lippe jemals für einen attraktiven, würdigen, hochmodernen, sauberen, barrierefreien und zeitgemäßen ÖPNV „auf die Barrikaden“ gehen werden, ist nicht abzusehen. Man fühlt sich nicht betroffen, denn man fährt ja Auto… Allerdings auch deshalb, weil Bahn UND Bus für viele keine flächendeckende Alternative bieten. Doch eine zeitgemäße Bahn ist Grundvoraussetzung für besseren lokalen Busverkehr und keine Konkurrenz, wie manche glauben. Mehr Bahn = mehr (Zubringer-)Bus – und das Ganze natürlich bis mindestens Mitternacht durchgetaktet. Denn mit einem S-Bahn-Betrieb nach Bielefeld, Paderborn und Herford kommt auch mehr Volumen für den restlichen ÖPNV. Das wird aber nur gelingen, wenn die Bahn-Hardware, also Gleise, Elektrifizierung und Bahnhöfe massiv – und möglichst zweigleisig – ausgebaut werden. Wo bleibt der Einsatz der lippischen Politik für eine solche Vision?
Links:
Neue Buslinie S 73: Halbstundentakt von Bielefeld nach Lemgo
Monocab Website
Schon vor über 100 Jahren gab es funktionierende „monocabs“ – die „Brennan Monorail“. Aber auch damals schon hat sich dieses Konzept nicht bewährt – nicht wegen der Technik, sondern weil es in einem schon existierenden großen Schienennetz nicht zu einer sinnvollen, ökonomischen und praktischen Lösung der öffentlichen Verkehrsprobleme beitragen konnte…