Mit einer der teuersten Tarifstrukturen in Deutschland verhindert OWL den Umstieg vom Auto auf die Bahn

OWL, Westfalen (gibt’s das überhaupt als reale verwaltungspolitische Einheit?) oder NRW? Wer für das Monster-Reförmchen des ÖPNV im Osten NRWs letztendlich verantwortlich ist, kann in dem Labyrinth der (politischen) Kompetenzen nur schwer ermittelt werden. Das Wirrwarr überträgt sich jedenfalls nahtlos auf die Preisstruktur und zwar in erster Linie in der Form von grotesk überzogenen Preisen und der Wahlmöglichkeit „Alles, oder zu wenig“ für Menschen die in erster Linie in OWL unterwegs sind, also im Regierungsbezirk Detmold für den wir folgendes feststellen:

Es gibt immer noch keine Monatskarte für Gesamt-OWL, sondern man entscheidet sich entweder für den bisherigen „Sechser“-Bereich (jetzt Teuto-OWL – also die Kreise Lippe, Herford, Minden-Lübbecke, Gütersloh und die Stadt Bielefeld) der „Preisstufe 7“ (jetzt 7W, was wohl für Westfalentarif steht) zum Abo-Preis von sagenhaften €190,70 – oder gleich für GANZ Westfalen (12W), also von der Weser bis an die Holländische Grenze und von Minden bis Dortmund für €241,70. Während letzteres also vergleichsweise attraktiv erscheint, bleibt das Monatsabo 7W unerschwinglich für die meisten Menschen in OWL, die Ihre Mobilität umweltfreundlich und an ihren Bedürfnissen ausrichten wollen.

Denn es stellt sich hartnäckig die Frage, ob die, dieser Preisstruktur zugrundeliegende, Einschätzung des Kundenverhaltens realistisch ist. Bielefeld und Paderborn sind für OWL die Oberzentren, zu denen sich die meisten Menschen hin orientieren, sei es zur Arbeit, zur Uni, oder zum Schoppen. Es dürften wohl eher wenige von Detmold nach Coesfeld pendeln, oder zum Einkaufen fahren.

Doch über all diesen Überlegungen schweben ohnehin die, seit Jahrzehnten offenbar klaglos hingenommenen, exorbitanten Preise für Einzel- und Monatstickets. Der vergleichsweise moderate Preis für das Westfalentarif-Gesamtnetz kann nicht über die insgesamt inakzeptablen und – man muss es immer wieder sagen – ungerechten Preise hinwegtäuschen. Mit €190,70 ist das Monatsticket W7 vier Mal teurer, als das Monatsticket der vergleichbaren Region Freiburg. Man stelle sich vor, was los wäre, wenn die Autos oder das Benzin in OWL vier Mal teurer wären, als in der Region Freiburg…

Die Situation zeigt, wie wenig den politisch verantwortlichen in NRW und in der Region die umweltfreundliche Mobilität ihrer Bürger am Herzen liegt. Und es gälte in der Tat juristisch zu klären, ob solche erheblichen Benachteiligungen einer Region bei der Mobilität überhaupt rechtens sein können. Gerecht sind sie in jedem Fall nicht.

Dass es ganz in der Nähe auch anders geht, kann man im Landkreis Hameln-Pyrmont erleben. Während die Einführung des „Westfalen-Tarifs“ wie selbstverständlich dafür benutzt wurde die Monatskarten-Preise der Preisstufe 7 weiter anzuheben, geht man in Hameln-Pyrmont andere Wege, mit erwartbaren Resultaten. Die „Neue Woche“ aus Hameln schreibt dem 1. Kreisrat des Landkreises Hameln-Pyrmont, Carsten Vetter, die Aussage zu, dass sich der Verkauf von Monatskarten, direkt nach der Einführung der neuen Tarife, verdreifacht hat.

Der Geschäftsführer der „Öffis“, Arne Behrens, wird in der „Neuen Woche“ so zitiert: „Zurzeit gehen wir aufgrund von Befragungen unserer Mitarbeiter von rund 20 Prozent Neukunden aus. Monatskarten und Abo haben nicht nur hinsichtlich der Stückzahl, sondern auch bei den Einnahmen deutlich zulegen können. Es handelt sich mindestens um eine Verdopplung der geplanten Einnahmen. Wenn sich die Entwicklung so fortsetzt, haben wir bei Monatskarten und Abo die Chance, die 1 Millionen-Euro-Marke zu knacken“.

Während also in Hameln-Pyrmont die Preise für Zeitkarten um 50% gesenkt wurden, kennen sie in OWL nur eine Richtung: nach oben. Die Preisstufe 7 ist im August immerhin um ca. 3% teurer geworden. Die Fahrrad-Monatskarte sogar um 33% von €20.- auf €30.- !  Warum die Lage so ausweglos ist, darüber darf man gerne spekulieren, aber die zum Teil auf Verschleiß fahrenden Eisenbahnen und die immer weiter zurückgebaute Schieneninfrastruktur, dürften einen, durch preiswerte Monatskarten ausgelösten, Ansturm der Fahrgäste kaum bewältigen. Systematisch und vermutlich mutwillig wurde kostbare Infrastruktur zu Gunsten des Autoverkehrs jahrzehntelang vernachlässigt. In dieser Gewohnheit hat man sich offenbar eingerichtet. So werden z.B. Bahnhöfe zu „Haltepunkten“ rückgebaut, weshalb Verspätungen immer schlechter auszugleichen sind. Und anstatt alles nur erdenklich Mögliche zu tun, um im Sinne der ehrgeizigen, aber in diesem Lichte völlig unrealistischen, Klima- und Umweltschutzziele unserer Regierungen, den ÖPNV in das 21. Jahrhundert zu bringen, befindet man sich eher auf dem Niveau der 70er Jahre.

Was die Software im Diesel-Skandal zum Hardwareproblem der Autos ist, das ist der Westfalen-Tarif zum Eisenbahn-Infrastruktur-Problem der Region.

Tagpfauenauge in den Lavendelfeldern bei Fromhausen


Seit vier Jahren lebe ich in Detmold. Als ich hierher zog war mein größter Wunsch möglichst naturnah zu wohnen. Bäume wollte ich sehen, nachdem ich dem Berliner Steindschungel entkommen war, und Ruhe von Verkehrslärm wollte ich auch. Beides habe ich gefunden.

Im Grunde genommen ist meine Wohnung in der Nähe des Dolzer Teiches die Quadratur des Kreises. Mit dem Fahrrad bin ich von dort in weniger als 5 Minuten auf dem Marktplatz und kann das durchaus urbane Detmolder Stadtleben mit seinen vielen schönen Cafés, Geschäften und kulturellen Einrichtungen genießen. Wenn ich zu Hause bin, dann sehe ich von meinen Fenstern aus nichts als Bäume und eine wunderbare Parklandschaft direkt um mich herum. Nachts herrscht, spätestens ab Mitternacht, meist aber schon um einiges früher, völlige Stille. Im Sommer öffne ich nachts meine Fenster auf allen Seiten sperrangelweit. Es ist so still, dass man keinen Unterschied hört, ob die Fenster geschlossen sind, oder weit geöffnet. Und das so nah an der Innenstadt! In Berlin ein unvorstellbarer Gedanke, egal ob man eine Wohnung im Hinterhof, im Vorderhaus oder „JWD“ bewohnt. Irgendetwas dröhnt immer. Wenn es keine Autos sind, dann eine Eisenbahn, die Touristen oder die vielen Flugzeuge, die Berlin ein Dauerdröhnen bescheren.

Am Ende des ersten Sommers mit offenen Nachtfenstern wurde mir plötzlich klar, dass ich nicht einen einzigen Mückenstich erlitten hatte, was mich stutzig machte, ist doch der Dolzer Teich gerade einmal 150m entfernt. Zudem wachsen mir die Bäume fast schon in die Wohnung und unter der Baumwand auf der anderen Seite des Rasens ist ein immer feuchter Humus und Blätterteppich, vor allem in diesem letzten Sommer. Auf dem ungedüngten Rasen grasen das ganze Jahr, tagaus tagein, die Amseln und oft stehen unter den Birken große Pfützen.

Aber auch andere Insekten verirren sich kaum in meine Wohnung. Irgendwann mal eine Spinne, neben den Weberknechten, die sich in den Ecken immerhin als Dauergäste eingefunden haben, genau wie die obligatorischen Stubenfliegen im Hochsommer, die endlos um meine nicht vorhandene Schlafzimmerlampe kreisen. Auch an eine Hornisse auf Stippvisite erinnere ich mich dunkel.

Gleichzeitig mit meiner verwunderten Beobachtung trudelten die ersten Meldungen über das Insektensterben ein, das wohl erst mit der neuesten Erhebung so richtig amtlich sein will. An einen Bericht aus der Uckermark bei Stabeshöhe erinnere ich mich, was mir besonders verwunderlich erschien, sind doch die Seenlandschaften und Wasserlöcher ohne Mücken undenkbar. Und in der Tat wurden in den Wasserlöchern extrem hohe Pestizidwerte gefunden, die ein Zigfaches über den Grenzwerten lagen.

Nun mag man sich fragen, was beschwert sich der Mann über einen ruhigen mückenlosen Schlaf bei frischester Luft? Zumal es ja auch nicht so ist, dass lästige Insekten gar kein Thema mehr wären. Vergesse ich einmal, was selten vorkommt, meine Sonnenbrille beim Radfahren, dann finden winzige fliegende Insekten IMMER zuverlässig mindestens eines meiner Augen. Und in der Tat ist es ein himmlisches Gefühl nachts im eigenen Bett dem Atem der Natur so nahe zu sein, ohne von Mücken in den Wahnsinn getrieben zu werden.

Doch kann wohl so nur denken, wer den größeren Zusammenhängen völlig gleichgültig oder ahnungslos gegenübersteht. Denn wer keine Insekten haben will, der mag wohl auch keine Vögel und keine Früchte, die von Insekten bestäubt werden. Aber wie immer wenn sich Wissenschaftler mit Warnungen an die Bevölkerung wenden melden sich natürlich prompt die Leugner und Abwiegler zu Wort, wie z.B. Manfred Uhlemann (Video 1:17) vom sächsischen Bauernverband. „Vom Insektensterben will er nichts wissen“ sagt die Deutsche Welle. „Aus meiner Sicht größter Blödsinn, denn wir haben immer wieder ein Auf- und Ab der Populationen der einzelnen Tierarten“, sagt er selbst. Das mag so sein, doch wird eine ganze Phalanx von Wissenschaftlern diese Effekte sicherlich mit in Betracht ziehen, genau wie die Klimawissenschaft zwischen Wetter und Klima unterscheidet.

Und so kann man einzelne Warnungen in den Wind schlagen und „die Dinge gelassen sehen“. Doch die sich verdichtenden Warnungen seit dem Report des „Club of Rome“ von 1972, mit dem Titel „Die Grenzen des Wachstums“ ignoriert nur wer zu bequem ist sich Gedanken zu machen und den kommenden Generationen den „benefit of the doubt“ verweigert – den „Vorzug des Zweifels“, bzw. den Zweifel zu Gunsten derer, die sich heute noch nicht verteidigen können.

Und selbst wenn es nur eine Wahrscheinlichkeit von 10% gäbe, dass wir für die ganzen Umweltprobleme verantwortlich sind, würden vernünftige Menschen versuchen dieses Risiko auszuschließen, so wie sie es tun, wenn sie eine Rechtsschutzversicherung abschließen, den Fuchsbandwurm vermeiden oder ein Datenbackup machen. Während wir bei solchen, vergleichsweise trivialen, Dingen geradezu mimosenhaft vorsichtig sind, spielen wir mit unseren Lebensgrundlagen russisches Roulette. Vielleicht versuchen Sie es ja mal: ein Zehnermagazin mit nur einer Kugel. Wie beherzt drücken sie ab?


Umgehungsstraßen zerstören das Lippische Landschaftsbild zunehmend. B238 bei Lemgo


Das Umweltinstitut München berichtete in den letzten Tagen über die kleine Anfrage der Grünen im Bundestag zum massiven Vogelsterben in Deutschland. Hauptverursacher ist die pestizid- und herbizid-basierte industrielle Landwirtschaft. Ganz vorne mit dabei OWL, wo mit 5% der schon sehr magere landwirtschaftliche Bio-Anteil im Bund von 6,5%  noch einmal deutlich unterschritten wird.

Dazu kommt der ungebremste Wille der Kommunen in OWL ihre stadtnahen Biotope durch Umgehungsstraßen zu zerstören und immer neue Gewerbeparks auszuweisen. Die Nordrhein-Westfälische Zersiedlungspolitik wird vom Regierungsbezirk Detmold sogar vehement eingefordert. Die zarten Bemühungen der abgewählten Rot-Grünen Regierung in Düsseldorf, die Flächenneuversiegelung nur leicht zu bremsen, wurden in der Version 1 und Version 2 der so genannten „Detmolder Erklärung“ auf das heftigste gegeißelt. Ganz NRW, so wird in diesen Dokumenten gefordert, solle zu einer „Metropolregion“ erklärt werden.

Wo auf der einen Seite neue teure Umgehungsbollwerke („Boulevard“) geschaffen werden, die einer Verkehrsreduzierung für den Klimaschutz direkt entgegenarbeiten, werden alte ländliche Feldwege beseitigt. Ein Jäger aus dem zentralen Lippe, der namentlich nicht genannt werden will, berichtete der Redaktion, dass ein Bauer in seinem Jagdrevier einen alten Feldweg untergepflügt hatte, der bis dahin zwei Dörfer miteinander verband. Ohne bedeutende Konsequenzen. Der Landwirt sollte als Ersatz lediglich ein paar Bäume pflanzen, wobei nicht ganz klar ist wie einem Fußgänger, Wanderer oder Radfahrer, der nun einen großen Umweg auf sich nehmen muss, durch das Pflanzen von ein paar Bäumen geholfen wird. Das Phänomen ist auch den Umweltverbänden bekannt, aber die Art der Ahndung dieses Verhaltens seitens der Agrarindustriebetriebe, dürfte bei vielen Mitgliedern Kopfschütteln auslösen.


Links:

Untergepflügte Feldwege: Landwirt muss sie wieder herstellen oder ausgleichen

Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt: Nabu kritisiert Unterpflügen von Feldwegen

Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Grünen

www.umweltinstitut.org/fileadmin/Mediapool/Aktuelles_ab_2016/2017/2017_05_05/Antwort_der_Bundesregierung_auf_Stummer_Frühling_-_Verlust_von_Vogelarten.pdf