Eichenhof Pinneichen Detmold aus der Luft 70er Jahre - Urheber unbekannt

Eichenhof Pinneichen Detmold aus der Luft 70er Jahre – Foto: Urheber unbekannt

Welcher Architekt würde es gerne von der Hand weisen? Das Bauen in einer Stadt, ist nicht nur ein funktionaler Akt, sondern eben vor allem auch ein ästhetischer. Die Ästhetik aber, in Kommunikation mit der Topographie und dem Klima, ist das was einer Stadt das Besondere gibt: ihr unverwechselbares „Gesicht“.

Nun lässt sich über Ästhetik vortrefflich streiten. Die Eine liebt Kiosk-Charme mit Parkplatz-Flair, der Andere sehnt sich nach antiken Piazze mit architektonischen Meisterwerken, von exquisiten Gärten und Parks eingerahmt und von unbegreiflicher Schönheit. Ersteres ist ein Geschmack, der eher aus der Not geboren scheint, irgendwie lobenswert, aber auch ein wenig Mitleid provozierend. Letzteres ein Ideal zu dem jedes Jahr Abermillionen von Menschen pilgern, um die an diesen Orten gemachten Selfies in alle Welt zu verschicken.

In unseren Zeiten und vor allem auch in unserem Land, steht urbane Schönheit im Ruch wenig funktional zu sein. So ist das Wenige erhaltene Schöne noch mehr dazu verdammt reine Kulisse zu werden. Der Kontrast zum Hässlich-Funktionalen wird schroffer. Dass es aber überhaupt dazu kommt ist meist ein Resultat aus der Multiplikation des fehlenden Geldes mit der fehlenden Phantasie. Doch gelegentlich kann auch zuviel Geld in Kombination mit fehlender Phantasie Stadtbilder dauerhaft zerstören. Welcher Kombination nun die Pinneichen in Detmold zum Opfer fallen, müssen wir vorerst abwarten.

Ein kurzer Blick auf das Satellitenbild von Google Maps scheint für dieses Areal eher ganz laut „PARK“ zu schreien. Und allem Anschein nach sahen es die am 2.6.2022 zur „Bürgerversammlung“ in der Grundschule Jerxen-Orbke eingeladenen Bürger genauso. Jedenfalls wenn man sie um ihr Handzeichen der Zustimmung für eine „nur Park“-Lösung (also gewissermaßen einer Parkvergrößerung, allerdings inklusive Kita-Neubau) bat. Der Applaus zu Äußerungen so einiger Bürger, die in diese Richtung gingen, tat ein Übriges diesen Eindruck zu erhärten. Denn viele sachkundige Einwände der Anwesenden machten deutlich, dass die Bebauung, auf dem Gelände des ehemaligen Sportplatzes, ein städtebaulicher Krampf wäre, der nur wenig gegen die „Wohnungsnot“ (die man wohl aufgrund immer höherer Quadratmeteransprüche der Wohnbedürftigen, lieber „Wohnanspruchsnot“ nennen sollte) in Detmold bewirken, aber das unmittelbare Umfeld, und nicht zuletzt die Pinneichen, schwer belasten würde.

Bei einem Jahresbudget der Stadt Detmold von ca. 260 Mio. Euro wäre, bei 200 Euro/m² Bodenpreis, der Erlös durch den Verkauf für 1 ha Sportplatz, zwar nett aber nicht weltbewegend. Für die Stadt Detmold aber offenbar ein satter Happen, für den man alle Prätentionen einer „Kulturstadt im Teutoburger Wald“ gerne fahren lässt. Denn, wie schon angerissen, ist natürlich die Städte-Bau-Kultur ein elementarer Teil der Kultur insgesamt. Durch die Verfehlung, das Eckgrundstück mit dem alten Gebäude an der Kreuzung Lagesche Str. / Wittekindstraße (günstig!) aufzukaufen und, inklusive der ehemaligen Sportvereinsräume, in ein potentielles Parkerweiterungskonzept zu integrieren, ist das Kind aber bereits in den Brunnen gefallen.

Eichenhof Pinneichen 1950er Jahre - Urheber unbekannt
Eichenhof Pinneichen 1950er Jahre – Foto: Urheber unbekannt

Einst stand an dieser Stelle der „Eichenhof“, der dieser Kreuzungsecke ein freundliches helles Gesicht verliehen hatte und wo Alt und Jung sich erfrischen konnten. Er gab dem Sportplatz und dem Wäldchen einen einladenden Fokus, der zwischen dem sportlichen und natürlichen Teil des Geländes vermittelte und das Ganze zu einer stimmigen Stadtästhetik zusammenführte, die Nutzen und Erholung verband. Später zog in das Gebäude eine Anwaltskanzlei ein und, nachdem diese das Gebäude und Grundstück vor ein paar Jahren aufgegeben und verkauft hatte, beeilte sich die Stadt dem Käufer eine Baugenehmigung zu erteilen und schaffte so Fakten.

Anstatt das Gebäude zu erhalten, und neuen parkgerechten Nutzungen zuzuführen, sollen hier in einem massiven dreistöckigen Riegel Seniorenwohnungen und Geschäfte entstehen. An Banalität und Unsensibilität ist diese Idee kaum zu überbieten. Die alten Menschen sollen also an einer der lautesten und emissionsstärksten Kreuzungen Detmolds „entsorgt“ werden und dazu etwas Einzelhandel gewurschtelt werden.

Doch die Bürgerschaft (z.B. mit einem Bürgerrat als Beteiligungs- und Transparenz-Institution) wird in Detmold nicht gerne im Voraus und wirklich vorausschauend konsultiert, sondern lieber notgedrungen, bei der gesetzlich vorgeschriebenen „Bürgerbeteiligung“, vor halb vollendete Tatsachen gestellt, die sich in diesem Fall vor allem an besagtem Abriss des ehemaligen „Eichenhof“ offenbaren. Somit kann es, im Fall der Pinneichen“ für die eilig formierte „Arbeitsgruppe“ „Lebenswertes Detmold“ nur noch um Schadensbegrenzung gehen. Und der wahrscheinliche Schaden, gerade auch für das Pinneichenwäldchen, ist beträchtlich. Denn es soll ja nicht nur der Seniorenriegel entstehen, sondern auf dem Sportplatzgelände auch weitere Wohnhäuser. Und für diese werden Zufahrtswege, die Feuerwehr- und Müllabfuhrtauglich sind, benötigt. Mit anderen Worten: nach dem Massaker an den wunderbaren alten Eichen des ehemaligen „Eichenhof“, stehen weitere zahlreiche Baumfällungen an, wenn solche Pläne Realität werden sollten. Das wird jedem klar, der sich das Gelände bei Google Earth anschaut.

Die „Kulturstadt im Teutoburger Wald“ und der Kreis Lippe sind fortwährend damit beschäftigt historische Land-, Bau- und Stadtkultur zu beseitigen und dabei ihr Gesicht zu verlieren. Über Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutz wird dabei gerne viel geredet und keine Gelegenheit ausgelassen eine hübsche Greenwashing-Kulisse zu präsentieren, wie z.B. den 1 Million Euro teuren „Klimapakt Lippe“ von 2016. Wer erinnert sich noch? Gut, man musste das nicht selbst bezahlen, denn der Bund hatte diese vierjährige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme finanziert, für junge Fachleute, die „irgendetwas mit Nachhaltigkeit“ machen wollen. Es gibt Schlimmeres und wenn man mit fremdem Geld gut aussehen kann, hey!… Man würde sich nur wünschen, dass Stadt und Kreis bei ECHTEN Nachhaltigkeitsprojekten, wie z.B. der Einführung von Bahn und ÖPNV in die Jetztzeit, genauso viel Fördermittelacquiseintelligenz entwickeln würden. Luft anhalten auf eigene Gefahr!