Während die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks die Zeichen der Zeit offenbar erkannt hat, und besonders beim Verkehr und der Landwirtschaft erhebliche Anstrengungen für den Klimaschutz einfordert, rollt die Blechlawine in Lippe unverdrossen weiter. Zwar spricht auch die Umweltministerin gerne und viel von Elektroautos, aber die angestrebte 95% CO2-Reduktion bis 2050 ist ohne eine drastische REDUKTION des Motorisierten Individualverkehrs (MIV) genau so realistisch wie die Nutzung der Bega für die Binnenschifffahrt.

Elektroautos sind die dürre Möhre, mit der man den Menschen vorgaukelt, dass das Auto eine großartige Zukunft hat. Aber als größter und schwerster einzelner Konsumartikel stellt er die größte Belastung für unsere Umwelt dar, vor allem natürlich, wenn er in Massen auftritt. Deshalb können Elektrofahrzeuge allenfalls eine Nischenlösung für den Verkehr sein, und zwar für den „letzte-Meile“-Transport, wo sie heute schon erfolgreich eingesetzt werden, wie z.B. bei der Post.

Die Propaganda der Autolobby hat bestens dafür gesorgt, dass in der Allgemeinheit bei dem Wort „Elektromobilität“ mittlerweile nur noch an „ElektroAUTOS“ gedacht wird. Aber die erfolgreichste Elektromobilität ist natürlich seit vielen Jahrzehnten die Deutsche Bahn. Ich erinnere mich noch gut an die Elektrifizierung der Bahnstrecke Herford-Altenbeken, als ich als Schüler von Bad Salzuflen nach Detmold pendelte. Aus unerfindlichen Gründen wurde die Strecke Bielefeld-Lemgo bisher nicht elektrifiziert.

Man sollte also meinen, dass der ÖPNV  beim „Masterplan Klimaschutz“ in Lippe ganz oben auf der Agenda steht und sich die Kommunen  um einen verbesserten ÖPNV nur so reißen und sich dafür die Fördergelder vom Bund besorgen. Aber weit gefehlt, schon die kleinste Übung für eine Verkehrswende in Lippe, die Wiederinbetriebnahme der Bahnstrecke nach Barntrup (und in letzter Instanz auch nach Hameln) überfordert unseren „Vorbild“-Kreis, jedenfalls wenn man unseren Landtagsabgeordneten Dennis Mälzer befragt, der so ein Unterfangen für eine glatte Unmöglichkeit hält.

Zudem ist die Nutzung des ÖPNV in Lippe ein Luxus, den sich nur wenige leisten wollen, oder können, wenn sie zu den sozial Schwächsten gehören. Für das „6er Teilnetz-Abo“, für den Bereich Lippe-Kreis Herford-Bielefeld, bezahlt der Lipper satte128 Euro im Monat Zum Vergleich: Das Monats-Abo für den Regio-Verkehrsverbund Freiburg, der eine noch größere Fläche umfasst, kostet nur €47,30 www.rvf.de/Fahrkarten.php , also nur fast ein Drittel! Wer erklärt uns diese Diskrepanz und wie man mit einer solchen Preispolitik 95% CO2 bis 2050 reduzieren möchte?

Das effizienteste Elektrofahrzeug ist hingegen das Pedelec, auch Elektrofahrrad genannt. Hier ist das Verhältnis zwischen dem Eigengewicht des Fahrzeugs und der Nutzlast (ca. 3:1) unschlagbar und umgekehrt zu dem eines Elektroautos (1:10). Das mit teuren, und auch nicht besonders umweltfreundlichen, Lithium-Ionen-Akkus vollgestopfte Elektroauto verbrät also die meiste Energie, um sich selbst vorwärts zu bewegen.

Der meiste Verkehr in den lippischen Städten entsteht durch kurze Fahrten im Stadtbereich. Dieser Verkehr existiert weiterhin auch auf den Straßen, die von den Umgehungsstraßen entlastet werden sollen. So wird der Verkehr in die Breite gezogen, anstatt ihn zu reduzieren, indem man auf (Elektro-)Fahrräder setzt. Dabei ist längst bekannt, was die schönen alten Städte lebenswert macht und hält: der Fahrradverkehr. In den Niederlanden weiß man das schon SEHR lange und meint trotzdem noch viel mehr dafür tun zu müssen. Spätestens mit dem Pedelec sind alle Gründe, in Lippe kein Fahrrad benutzen zu können, aus dem Weg geräumt. Vive la Velorution!

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Wie sagt Volker Pispers so schön sarkastisch: „Wir sind die Guten!“ Es ist das konservative Selbstverständnis, immer auf der richtigen Seite zu sein, weshalb man gezwungenermaßen an die Quadratur des Kreises glauben muss. In dieser Disziplin ist der Kreis Lippe in jedem Fall ein Vorbild für Deutschland, so wie er es sich mit dem „Masterplan Klimaschutz“ zur Aufgabe gemacht hat.

100% Wachstumsideologie für 100% Klimaschutz?

Hier soll das Unmögliche möglich werden. „Die Zeichen stehen auf Wachstum“, tönt es aus dem Wirtschafts-Hofberichterstattungsblatt der LZ „Menschen, Macher, Märkte“ und von überall her.
Wir schaffen das!
95% CO2-Reduktion bis 2050 trotz Wirtschaftswachstum. Wir schaffen das!
Energiebedarf bis 2050 halbieren? Wir schaffen das!
Weihnachten und Ostern an denselben Tagen? Wir schaffen das!
Volltrunken ohne Rausch? Wir schaffen das!
Wachstum, Wachstum, Wachstum ohne Umweltzerstörung? Wir schaffen das!
Exportweltmeister ohne Verlierer? Wir schaffen das!
Klimaschutz trotz immer neuer Straßen? Wir schaffen das! Wir bauen die vielen Umgehungsstraßen weise vorausschauend für die vielen Pedelecs, die eines Tages darauf fahren sollen. Und natürlich vor allem für die viele Elektromobilität, mit der wir grundsätzlich nur Elektro-Autos meinen, die ineffizienteste Art der Elektromobilität.

Nur WIE wir das schaffen sollen, dafür bleiben uns Stadträte und Landräte bisher jede plausible Antwort schuldig. Die dicksten zu bohrenden Bretter sind vor den Köpfen der verantwortlichen Politiker und „Wirtschaftskapitäne“.

Autoschlange auf Radweg
Die Stärkeren haben Recht – auch auf dem Radweg. Die Masse macht’s…

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Mit dem „Masterplan Klimaschutz“ will der Kreis Lippe zum „Vorbild“ für Deutschland werden. Ausgerechnet der Kreis Lippe! Wer so viel kognitive Dissonanz verursacht ist reif für’s Irrenhaus!!!

Der Klimapakt Lippe will bis 2050 die CO2 – Emissionen um 95% senken! Wie soll das gelingen? Indem immer neue Straßen für immer mehr Verkehr gebaut werden? Wann ist es genug? WANN IST ES GENUG? – Dieselben Herrschaften, die diese radikalen Visionen munter in die Welt tragen, machen sich gleichzeitig für immer mehr Straßen stark. Sie feiern eine verbesserte Infrastruktur, als wäaren Deutschland und Lippe bisher nur mit Trampelpfaden versorgt.

Besonders aufhorchen lässt beim „Klimapakt Lippe“ die Stellenausschreibung für einen „Mobilitätsmanager“, in der es heißt: „Das Aufgabengebiet umfasst u.a.“ … „Entwicklung einer Strategie für den Wandel zur suffizienten Mobilität im ländlichen Raum“ www.kreis-lippe.de/media/custom/2001_6640_1.PDF?1461240422

Suffizienz“ ist ein fester und viel diskutierter Begriff im ökologischen Diskurs und galt für politische Wachstumsideologen und IHK-Funktionäre bisher als Teufelszeug weltfremder Verzichtsprediger. Umso erstaunlicher ist es nun diesen Begriff aus dem Land der „Detmolder Erklärung 1&2“ zu hören, für dessen politische Vertreter Wirtschaftswachstum bisher den Stellenwert einer unhinterfragbaren Religion hatte. Wir können nur hoffen, dass der Begriff nicht die gleiche traurige Karriere macht wie der schöne und sinnhafte Begriff „Nachhaltigkeit“. Für die Politiker in Lippe und dem Rest von Deutschland hat vor allem eines „nachhaltig“ zu sein: das Wirtschaftswachstum…

Denn schon die kleinste Übung für eine Verkehrswende in Lippe wird jedenfalls vom Landtagsabgeordneten Dennis Mälzer, als glatte Unmöglichkeit betrachtet: die Wiederinbetriebnahme der Bahnstrecke nach Barntrup (und in letzter Instanz auch nach Hameln). Zudem ist die Nutzung des ÖPNV in Lippe ein Luxus, den sich nur wenige leisten können, schon gar nicht die sozial Schwächsten. Zum Vergleich: Der Regio-Verkehrsverbund Freiburg deckt eine größere Fläche ab, als Lippe, Bielefeld und der Kreis Herford zusammengenommen. Trotzdem kostet die übertragbare Monatskarte für das Gesamtnetz nur €47,30 www.rvf.de/Fahrkarten.php . Für das „6er Teilnetz-Abo“, das einen ähnlichen Bereich abdeckt, bezahlt der Lipper dagegen satte128 Euro im Monat, also fast das Dreifache! Wie man mit so einer Preispolitik 95% CO2 reduzieren möchte bleibt bisher das Geheimnis der Zauberer zu Lippe.

Natürlich gibt es Alternativen zum Umgehungsstraßenwahn. Aber bekanntermaßen sitzen die dicksten zu bohrenden Bretter vor den Köpfen der lippischen Stadt- und Landräte:

  • Wiederinbetriebnahme und Elektrifizierung der Bahnstrecke nach Barntrup (und später weiter nach Hameln.) Die Schließung dieser Bahn und vor allem die Entwidmung zwischen Barntrup und Hameln,war von Anfang an ein Skandal!
  • Sofortiger Stopp aller Umgehungsstraßenprojekte in ganz Lippe. Immer neue Straßen schaffen immer mehr Verkehr! („Induzierter Verkehr“) Weiterbildung über das Phänomen „induzierter Verkehr“ für alle lippischen Verkehrsausschüsse.
  • Stattdessen: drastische Reduzierung der Monatskartenpreise für den ÖPNV (siehe Beispiel in der vergleichbaren Region Freiburg).
  • Erhebliche Verbesserung und Förderung der Fahrradinfrastruktur. Pedelec statt Auto! Die beste „Elektromobilität“ sind Pedelecs gefolgt von Eisenbahnen.

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Die Lemgoer Stadträte sind heftig darauf erpicht, eine der schönsten stadtnahen Idyllen Lemgos für eine Verkehrspolitik der Vergangenheit zu opfern. Zum Teil auf der Luherheide aufgewachsen, die einen Kilometer weiter Richtung Rinteln an der B238 liegt, habe ich frühe Erinnerungen an diese Gegend. Es muss 1970 gewesen sein, als ich meinen Vater das erste mal seit Jahren wiedersah. Mit ihm und meiner neuen Stiefmutter „wanderten“ wir bei herrlichem, aber eisigem, Winterwetter, über den gepflasterten „Wachholderweg“, von der Luherheide über den Gasthof Quelle nach Entrup. Erst vor kurzem habe ich diese verträumte und „unberührt“ wirkende Landschaft bei sommerlichen Temperaturen wiedergesehen und tauchte unversehens in eine andere Welt ein, die weit entfernt schien von dem zunehmenden Verkehr auf unseren Straßen und war verblüfft von ihrer entspannten Schönheit. Das sanfte Tal entlang des Radsieksbachs, mit seinen schönen Weiden hat etwas freies und urwüchsiges und wenn man den Bach aufwärts schaut, dann sieht man von weitem die „Schöne Aussicht“.

Es ist schier unvorstellbar, dass hier in wenigen Jahren eine Trasse mit Schwerlastverkehr das schmale Tal vollständig zerstören soll. Die rückwärtsgewandte Verkehrspolitik der Bundesregierung und der Lemgoer Stadträte macht es möglich. Geradezu schizophren will man zwar bis 2050 die CO2- Emissionen um 95% senken, auf der anderen Seite aber dem Straßenverkehr immer mehr Raum geben und somit den motorisierten Individualverkehr (MIV) fördern. Offenbar hat man in den Stadtparlamenten noch nicht begriffen was das bedeutet: „95% weniger CO2“. Mit dieser Verkehrspolitik eine Unmöglichkeit! Das Phänomen des „induzierten Verkehrs“ ist den Stadträten offenbar unbekannt.

Ich möchte alle aufrufen diesen Ort, nur wenige hundert Meter vom Lemgoer Klinikum, aufzusuchen. Die geplante Nordumgehung durch das Ilsetal ist ein verkehrs- und stadtentwicklungspolitisches Verbrechen! Die Vernunft gebietet dieses sinnlose Projekt zu verhindern. Wir müssen Verkehr reduzieren und nicht durch Straßenbau immer neuen Verkehr anregen. Es gibt Alternativen, die man aber in Lippe nicht umsetzen will


PDF der Planung von Straßen NRW: http://www.pro-ilsetal.de/downloads/Uebersichtslageplan_strassen_nrw.pdf

Lippische Landeszeitung vom 17.3.2016: Bund gibt grünes Licht für die Nordumgehung in Lemgo