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Induzierter Verkehr durch Umgehungsstraßen und die „Verbesserung“ der KFZ-Infrastruktur und die damit verbundene Verstützstrumpfung der Landschaft

 

Während der Wolkenkuckuckskreis mit seinem „Klimapakt Lippe“ phantastische Ziele verfolgt – nämlich die CO2-Reduzierung um 95% bis 2050 (!) – erwägt Lemgo dieses Ziel mit einer Einschränkung seines, bisher über die Grenzen Lippes hochgelobten, Stadtbusangebotes zu erreichen, wie aus der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen gemeldet wird.

Natürlich bedeuten weniger Busfahrten erst einmal weniger CO2 , das leuchtet ein, weil die Lemgoer natürlich NIEMALS erwägen würden, statt mit dem Bus, mit dem Auto zu fahren, sondern natürlich das Fahrrad wählen. Deshalb sind sie auch so versessen auf die Nordumgehung, damit sie mit ihren Fahrrädern, schneller nach Lüerdissen kommen, nach einem stressigen Shoppingwochenende – in, äh, Lage. Denn da will man nicht noch im Fahrradstau auf der Konsul-Wolf-Straße den „Zeitverlust“ (WDR5) erleben, sondern auf hohem Fahrdamm elegant durch das (dann ehemals) schöne Ilsetal an der Stadt vorbeifliegen.

Ich weiß nicht was für krause Vorstellungen in den Köpfen der Lemgoer Stadträte-Mehrheit herumspuken, aber sie dürften kaum weniger absurd klingen, als der letzte Absatz dieser Zeilen. Liebe Lemgoer: Die Ziele des „Klimapakts Lippe“ sind mit neuen Umgehungsstraßen nicht zu erreichen. Auch nicht wenn auf diesen Straßen NUR noch Elektroautos fahren. Der Bau von immer neuen Straßen und Parkplätzen für KFZ erfüllt den Tatbestand der Induzierung von Verkehr. Wer heute noch neue Umgehungsstraßen baut und den ÖPNV reduziert, der verhöhnt den „Klimapakt Lippe“ und die Beschlüsse der Pariser Klimakonferenz. 95% CO2 – Reduktion: Was das bedeutet, das müsst Ihr Euch doch erst einmal detailliert auf der Zunge zergehen lassen, bevor Ihr die 70er Jahre ins Unendliche verlängert. Ich weiß, das war Eure beste Zeit, voller Optimismus, „Fortschritt“ und so. Doch wir schreiben nun mal 2016…

Trotzdem: man kann doch ganz offen und ehrlich sagen, dass man von Klimaschutz nichts hält. Aber Klimaweltmeister UND Exportweltmeister UND Reiseweltmeister auf einmal??? Das verursacht „Kongnitive Dissonanz“, jedenfalls bei all denen, die noch etwas merken.

PS: Die Induzierung von Verkehr funktioniert übrigens auch beim ÖPNV, aber das wisst Ihr ja schon aus den Zeiten der Einführung des Stadtbusses, oder hat dieses Wissen der ungleich vorausschauendere ehemalige Bürgermeister Wilmbusse mit in seine letzte Ruhestätte genommen?


Umwelt- und familienfreundliche Mobilität im ländlichen Raum
Handbuch für nachhaltige Regionalentwicklung

 

 

Neulich, bei einem ökologischen Hoffest im Osten Lippes, tauchten plötzlich unbedingt zu vermeidende Handystrahlungen im Gespräch mit einer ökologisch engagierten Mutter auf. Dass sie regelmäßig kilometerweit mit dem Auto zur Arbeit pendelt und als Elterntaxi eine ehrenamtliche Zweitkarriere bestreitet, bereitete ihr dagegen keine besonderen Kopf- oder Bauchschmerzen. Mein Hinweis, dass, im Gegensatz zur Handystrahlung, die gesundheitsschädigenden Auswirkungen des Autoverkehrs in zahlreichen Studien eindeutig belegt wurden und allein durch Autounfälle jedes Jahr mehr als eine Million Menschen weltweit um’s Leben kommen, quittierte sie mit eisigem Schweigen.

Überhaupt werden die ökologischen Auswirkungen des KFZ-Verkehrs von „Ökos“ im ländlichen Bereich gerne kleingeredet, dabei sind es gerade die Autos, die einen erheblichen Beitrag zur Verödung (nicht nur des) ländlichen Raumes beitragen, wie schon Ivan Illich 1971 in seinem Aufsatz „Energie und Gerechtigkeit“ ( http://www.pudel.uni-bremen.de/pdf/Illich_2620id.pdf ) deutlich aufzeigte.

Der Kampf gegen den Autowahnsinn mag einem Kampf gegen Windmühlen gleichen, doch dieses bewiesene und belegte Umweltproblem, durch den Kampf gegen ein bis auf Weiteres wissenschaftlich unbewiesenes Handyproblem zu ersetzen, gibt die ökologische Vernunft der Beliebigkeit der selektiven Wahrnehmung preis und degradiert den Widerstand gegen die allgemeine Umweltzerstörung zu einem Lifestyle-Phänomen.

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