Insektensterben in Detmold? Eine subjektive Betrachtung…

Tagpfauenauge in den Lavendelfeldern bei Fromhausen


Seit vier Jahren lebe ich in Detmold. Als ich hierher zog war mein größter Wunsch möglichst naturnah zu wohnen. Bäume wollte ich sehen, nachdem ich dem Berliner Steindschungel entkommen war, und Ruhe von Verkehrslärm wollte ich auch. Beides habe ich gefunden.

Im Grunde genommen ist meine Wohnung in der Nähe des Dolzer Teiches die Quadratur des Kreises. Mit dem Fahrrad bin ich von dort in weniger als 5 Minuten auf dem Marktplatz und kann das durchaus urbane Detmolder Stadtleben mit seinen vielen schönen Cafés, Geschäften und kulturellen Einrichtungen genießen. Wenn ich zu Hause bin, dann sehe ich von meinen Fenstern aus nichts als Bäume und eine wunderbare Parklandschaft direkt um mich herum. Nachts herrscht, spätestens ab Mitternacht, meist aber schon um einiges früher, völlige Stille. Im Sommer öffne ich nachts meine Fenster auf allen Seiten sperrangelweit. Es ist so still, dass man keinen Unterschied hört, ob die Fenster geschlossen sind, oder weit geöffnet. Und das so nah an der Innenstadt! In Berlin ein unvorstellbarer Gedanke, egal ob man eine Wohnung im Hinterhof, im Vorderhaus oder „JWD“ bewohnt. Irgendetwas dröhnt immer. Wenn es keine Autos sind, dann eine Eisenbahn, die Touristen oder die vielen Flugzeuge, die Berlin ein Dauerdröhnen bescheren.

Am Ende des ersten Sommers mit offenen Nachtfenstern wurde mir plötzlich klar, dass ich nicht einen einzigen Mückenstich erlitten hatte, was mich stutzig machte, ist doch der Dolzer Teich gerade einmal 150m entfernt. Zudem wachsen mir die Bäume fast schon in die Wohnung und unter der Baumwand auf der anderen Seite des Rasens ist ein immer feuchter Humus und Blätterteppich, vor allem in diesem letzten Sommer. Auf dem ungedüngten Rasen grasen das ganze Jahr, tagaus tagein, die Amseln und oft stehen unter den Birken große Pfützen.

Aber auch andere Insekten verirren sich kaum in meine Wohnung. Irgendwann mal eine Spinne, neben den Weberknechten, die sich in den Ecken immerhin als Dauergäste eingefunden haben, genau wie die obligatorischen Stubenfliegen im Hochsommer, die endlos um meine nicht vorhandene Schlafzimmerlampe kreisen. Auch an eine Hornisse auf Stippvisite erinnere ich mich dunkel.

Gleichzeitig mit meiner verwunderten Beobachtung trudelten die ersten Meldungen über das Insektensterben ein, das wohl erst mit der neuesten Erhebung so richtig amtlich sein will. An einen Bericht aus der Uckermark bei Stabeshöhe erinnere ich mich, was mir besonders verwunderlich erschien, sind doch die Seenlandschaften und Wasserlöcher ohne Mücken undenkbar. Und in der Tat wurden in den Wasserlöchern extrem hohe Pestizidwerte gefunden, die ein Zigfaches über den Grenzwerten lagen.

Nun mag man sich fragen, was beschwert sich der Mann über einen ruhigen mückenlosen Schlaf bei frischester Luft? Zumal es ja auch nicht so ist, dass lästige Insekten gar kein Thema mehr wären. Vergesse ich einmal, was selten vorkommt, meine Sonnenbrille beim Radfahren, dann finden winzige fliegende Insekten IMMER zuverlässig mindestens eines meiner Augen. Und in der Tat ist es ein himmlisches Gefühl nachts im eigenen Bett dem Atem der Natur so nahe zu sein, ohne von Mücken in den Wahnsinn getrieben zu werden.

Doch kann wohl so nur denken, wer den größeren Zusammenhängen völlig gleichgültig oder ahnungslos gegenübersteht. Denn wer keine Insekten haben will, der mag wohl auch keine Vögel und keine Früchte, die von Insekten bestäubt werden. Aber wie immer wenn sich Wissenschaftler mit Warnungen an die Bevölkerung wenden melden sich natürlich prompt die Leugner und Abwiegler zu Wort, wie z.B. Manfred Uhlemann (Video 1:17) vom sächsischen Bauernverband. „Vom Insektensterben will er nichts wissen“ sagt die Deutsche Welle. „Aus meiner Sicht größter Blödsinn, denn wir haben immer wieder ein Auf- und Ab der Populationen der einzelnen Tierarten“, sagt er selbst. Das mag so sein, doch wird eine ganze Phalanx von Wissenschaftlern diese Effekte sicherlich mit in Betracht ziehen, genau wie die Klimawissenschaft zwischen Wetter und Klima unterscheidet.

Und so kann man einzelne Warnungen in den Wind schlagen und „die Dinge gelassen sehen“. Doch die sich verdichtenden Warnungen seit dem Report des „Club of Rome“ von 1972, mit dem Titel „Die Grenzen des Wachstums“ ignoriert nur wer zu bequem ist sich Gedanken zu machen und den kommenden Generationen den „benefit of the doubt“ verweigert – den „Vorzug des Zweifels“, bzw. den Zweifel zu Gunsten derer, die sich heute noch nicht verteidigen können.

Und selbst wenn es nur eine Wahrscheinlichkeit von 10% gäbe, dass wir für die ganzen Umweltprobleme verantwortlich sind, würden vernünftige Menschen versuchen dieses Risiko auszuschließen, so wie sie es tun, wenn sie eine Rechtsschutzversicherung abschließen, den Fuchsbandwurm vermeiden oder ein Datenbackup machen. Während wir bei solchen, vergleichsweise trivialen, Dingen geradezu mimosenhaft vorsichtig sind, spielen wir mit unseren Lebensgrundlagen russisches Roulette. Vielleicht versuchen Sie es ja mal: ein Zehnermagazin mit nur einer Kugel. Wie beherzt drücken sie ab?

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